„Gefährliche Strahlen?“
Harmonisieren, Kompensieren, Entstören, Umwandeln – Risiken und Nebenwirkungen für den Verbraucher
- „Unser Produkt reduziert wirksam die Strahlungen von Mobiltelefonen, Computern, Monitoren, Spielkonsolen und Babyphones.“
- „Mit unserem Feldtransformer harmonisieren Sie sämtliche Strahlungen im Haus und im Büro“
- „Strahlenschutz vor negativen Schwingungen mit unserem Biooszilator“
- „Die Lösung gegen Elektrosmog und Erdstrahlen: Biosleep Bettauflage“
So ähnlich werben zur Zeit verschiedenste Anbieter von fragwürdigen Produkten, welche elektromagnetische Felder, oder deren mögliche negative Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden verbessern sollen. Und das Geschäft boomt. Die abenteuerlichsten Produkte werden in diesem Geschäftszweig angeboten, und kaum jemand behält noch einen Überblick über die Technik, Wirkungen, oder die Funktionsweisen.
Darum hat das Baubiologische Institut in Linz einen gerichtlich beeideten Sachverständigen für elektromagnetische Felder über die Wirkungen solcher Produkte befragt.
Baubiologisches Institut: Herr Grabmann, sie können uns sicher erklären was Elektrosmog überhaupt bedeutet.
Martin Grabmann, GRABMANN ELEKTROTECHNIK / ELEKTROBIOLOGIE, gerichtlich beeideter Sachverständiger: Gerne kann ich das. Elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder werden im Volksmund als „Elektrosmog“ bezeichnet. Der Ausdruck „Elektrosmog“ setzt sich zusammen aus den Wörtern: Elektro, Smoke, und Fog. Er ist die unsichtbare Umweltverschmutzung durch technische Felder und Strahlungen und geht von elektrischen Leitungen, Geräten, Sendern, elektrisch geladenen Oberflächen und magnetisierten Materialien aus.
In der Vornorm ÖNORM/ÖVE 8850 (Elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz – Beschränkung der Exposition von Personen) sind Referenzwerte für die Exposition der Allgemeinbevölkerung durch statische und zeitlich veränderliche elektrische und magnetische Felder niedergeschrieben.
Neben den ÖNORMEN gibt es aber noch viele andere Richtwerte und Empfehlungen wie zum Beispiel die Empfehlungen der Umweltmediziner, der Baubiologen oder verschiedener anderer Organisationen.
Baubiologisches Institut: Kann man denn elektromagnetische Felder so einfach harmonisieren oder umwandeln?
Grabmann: Nein. Ich habe bei uns im Elektroniklabor viele dieser fragwürdigen Kompensatoren, Harmonisatoren, Umwandler, und wie sie auch immer genannt werden, überprüft, und konnte keinerlei physikalische Änderung feststellen. Die Physik lässt sich nicht betrügen.
Leider wird das Thema eher auf pseudoreligiöser oder esoterischer Ebene diskutiert, als im naturwissenschaftlichen Bereich, wo es eigentlich hin gehört. Auf diese Art werden beim Konsumenten Ängste geschürt. Der Laie kann nur schwer unterscheiden, ob es sich bei den Anbietern um seriöse wissenschaftlich orientierte Firmen oder um Geschäftemacher handelt.
Baubiologisches Institut: Es werden immer wieder von verschiedensten Firmen Messungen von Elektrosmog angeboten. Diese kommen zu Ihnen ins Haus, oder es gibt Verkaufsveranstaltungen, und führen Ihnen vor, wie zum Beispiel eine Abschirmmatratze funktioniert. Die speziellen Matten werden an die Steckdose angesteckt, und es sieht aus, als würden die Feldstärken verschwinden. Funktioniert das?
Grabmann: Die Messungen kenne ich. Dabei handelt es sich um Körperspannungsmessungen und diese haben mit Feldstärkemessungen nur wenig zu tun.
Baubiologisches Institut: Können Sie uns die Funktion etwas näher erklären. Das scheint uns sehr wichtig, da es bereits sehr viele Anbieter von Abschirmmatten gibt.
Grabmann: Die Messung der Körperspannung der elektrisch isolierten im Bett liegenden Testperson gegen Erdpotential in Millivolt (mV) basiert auf dem Prinzip der kapazitiven Ankoppelung. Sie wird mit einem hochohmigen Spannungsmessgerät gemessen. Sie kann an Schlafplätzen in Ergänzung zur punktuellen Feldstärkemessung dazu dienen, einen orientierenden Überblick über die Gesamteinwirkung aller vorhandenen niederfrequenten elektrischen Wechselfelder auf die Testperson zu erhalten.
Es ist zu beachten, dass es sich bei der Körperspannungsmessung um die Messung des elektrischen Potentials gegen Erde und nicht um die Messung des elektrischen Feldes selbst handelt. Die tatsächliche elektrische Feldstärke kann durch diese Messung nicht ermittelt werden. Die Messung ist also ein Verfahren, wie es vom Laien angewendet wird, und nicht normkonform!
Die Körperspannungsmessung ist als Hilfsmittel zur Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Feldreduzierung durch Veränderungen an Feldquellen (durch z.B. Abschaltung von Stromkreisen) anzusehen.
Das Verfahren eignet sich prinzipbedingt nicht zur Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen an Feldsenken, wie z.B. „Abschirmmatten“ in Betten.
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Norbert Leitgeb vom Institut für Krankenhaustechnik und Europaprüfstelle für Medizinprodukte an der Technischen Universität in Graz hat eine Untersuchung zur „Unwirksamkeit von Elektrosmog-Abschirmmatten“ durchgeführt. Er schreibt in seiner Zusammenfassung:
Die Untersuchung von „Elektrosmog-Abschirmmatten“ hat gezeigt, dass derartige Produkte im Niederfrequenzbereich im Allgemeinen die behauptete Schirmwirkung nicht nur nicht besitzen, sondern im Gegenteil in der Regel sogar eine Erhöhung der Exposition verursachen. Darüber hinaus sind Sie als Maßnahme gegen magnetische Felder grundsätzlich ungeeignet. In diesem Zusammenhang daher allgemein von einer Abschirmmatte gegen „Elektrosmog“ zu sprechen, der ja aus elektrischen und magnetischen Anteilen besteht, ist daher irreführend.
Weiters schreibt er:
Die Erdung von Abschirmmatten über das angeschlossene Erdungskabel ist ungeeignet, die Schirmwirkung zu verstärken. Wegen der dadurch entstehenden ungünstigen Beeinflussung der Potentialverteilung führt diese Maßnahme sogar zu einer zusätzlichen erheblichen Felderhöhung.
Baubiologisches Institut: Würden Sie also von einem Kauf solcher Matten abraten?
Grabmann: Ja, das würde ich. Ich würde mir nie so eine Matte ins Bett legen.
Baubiologisches Institut: Wie sollte dann gemessen werden, wenn die Messung der Körperspannung nicht funktioniert?
Grabmann: Der Berufsverband Deutscher Baubiologen – VDB e. V. erarbeitete ausführliche Richtlinien zur fachgerechten und professionellen Erkennung von Gesundheitsrisiken in Innenräumen. Viele Baubiologen in Deutschland und auch wir in Österreich arbeiten nach diesen Richtlinien. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass diese Richtlinien nicht den Messempfehlungen der österreichischen Normen entsprechen, aber für erste Risikoeinschätzungen eignen sie sich sehr gut, und sie sind nicht so aufwendig wie Norm-konforme Messungen.
Folgende Feldarten sind nach diesen Richtlinien im „Elektrosmogbereich“ zu untersuchen:
- Langsam veränderliche elektrische Wechselfelder (Niederfrequenz)
- Langsam veränderliche magnetische Wechselfelder (Niederfrequenz)
- Schnell veränderliche elektromagnetische Felder (Hochfrequenz)
- Elektrische Gleichfelder (Elektrostatik)
- Magnetische Gleichfelder (Magnetostatik)
Danach sollte eine Beurteilung nach verschiedenen Empfehlungen der Situation erfolgen.
Baubiologisches Institut: Was empfehlen Sie den Konsumenten in Bezug auf fragwürdige Entstörgeräte?
Grabmann: Den Konsumenten kann ich nur raten, beim Kauf solcher Produkte äußerst vorsichtig zu sein. Wie Untersuchungen gezeigt haben, wird z.B. bei Abschirmmatten die Feldstärke in der Regel im Bettbereich höher, und nicht niedriger wie der Kunde es erwartet. Die Messmethode, welche die Verkäufer anwenden, ist ungeeignet. Elektrosmog zu messen ist nicht ganz einfach, und es bedarf einer fundierten fachlichen Ausbildung und der notwendigen gewerberechtlichen Bewilligungen dazu. Abschirmungen funktionieren nur auf rein physikalischer Ebene, und die Pseudowissenschaften und Esoterischen Erklärungsmodelle sollten die Konsumenten nicht allzu ernst nehmen.
Ich kann Ihnen gerne in Zusammenarbeit mit dem Institut anbieten, verschiedene Produkte im Messlabor zu überprüfen oder zu begutachten. Für telefonische Fragen stehe ich auch jederzeit unter der Nummer 07266/6257 gerne zur Verfügung.
Baubiologisches Institut: Herr Grabmann, ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch.
Grabmann: Danke, ebenfalls.